Pressemitteilung

Erfolg vor dem Arbeitsgericht Braunschweig: Klägerin erstreitet Entschädigung wegen Diskriminierung – Neutralitätsgebot bleibt im Fokus

Braunschweig, 23. April 2025 – In einem Verfahren vor dem Arbeitsgericht Braunschweig hat die Klägerin eine Entschädigung aufgrund einer Diskriminierungserfahrung im Bewerbungsverfahren erfolgreich durchgesetzt. Das Gericht verhängte ein Versäumnisurteil zugunsten der Klägerin gegen einen großen Wohlfahrtsverband – der AWO in Braunschweig/Peine.

Der Fall:

Die Klägerin, eine qualifizierte Psychologin, hat sich während ihrer praktischen Ausbildung für eine Teilzeitstelle in einem psychiatrischen Krankenhaus bei der Beklagten beworben. Nach einem zunächst regulären Bewerbungsverfahren wurde sie zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Vor Ort wurde ihr jedoch mitgeteilt, dass ein Gespräch nur stattfinden könne, wenn sie auf das Tragen ihres Kopftuchs am Arbeitsplatz verzichte. Die Beklagte stützte ihre Entscheidung auf ein sogenanntes „Neutralitätsgebot“. Gegen diese Vorgehensweise wandte sich die Klägerin auf rechtlichem Wege.

Das Urteil: Es ergeht ein Versäumnisurteil

In der Güteverhandlung standen die Parteien im Streit darüber, ob und inwieweit ein Neutralitätsgebot rechtlich zulässig ist. Die Arbeitgeberseite argumentierte unter anderem mit dem Wunsch nach äußerlich religiöser Neutralität des Personals – aus Sorge, Patient/innen könnten sich „getriggert“ fühlen, wenn ihnen eine Therapeutin mit Kopftuch gegenübersitzt.

Die Klägerin, eine fachlich versierte Psychologin, hielt dem entgegen, dass der therapeutische Raum gerade dazu geschaffen sei, mit Triggerpunkten umzugehen – nicht, ihnen konsequent auszuweichen. Eine Therapie biete die notwendige Sicherheit, um genau solche Erfahrungen professionell zu bearbeiten.

Die Beklagte bot eine Entschädigungszahlung eines Monatsgehalt an – außergerichtlich wurde ihr noch ein Vergleich in Höhe von 500 Euro angeboten. Nun lehnte die Klägerin diesen Vergleich ab; für eine Entschädigung zeigte sie sich in diesem Stadium nicht mehr offen.

Zur Hauptverhandlung erschienen sowohl die Klägerin als auch der gegnerische Anwalt pünktlich zur Kammerverhandlung. Nach Aufruf der Sache stellte die Vorsitzende Richterin fest, dass die Beklagte selbst nicht erschienen war. Auf Antrag der Klägerin erging daraufhin ein Versäumnisurteil: Die Beklagte wurde verpflichtet, die geforderte Entschädigung i.H.v. 2 Bruttomonatsgehältern zu zahlen und die Kosten des Verfahrens zu übernehmen.

Die Anwältin der Klägerin, Rechtsanwältin Tugba Sezer, erläutert: „Das Gericht hat die Schlüssigkeit des Vortrags geprüft und zu Gunsten der Klägerin entschieden. Auch wenn kein schriftliches Urteil mit Entscheidungsgründen ergangen ist, ist das Ergebnis eindeutig. Juristisch handelt es sich um eine sogenannte ‚Flucht in die Säumnis‘. Die Beklagte hat damit offenbar ein begründetes Urteil vermeiden wollen und die Konsequenzen hingenommen.“

Der Fall wirft weiterhin Fragen hinsichtlich der Praxis des Wohlfahrtsverbandes auf, insbesondere vor dem Hintergrund seiner Mitgliedschaft in verschiedenen Antidiskriminierungsorganisationen. Rechtsanwältin Tugba Sezer kündigt an, das Verfahren auch im Rahmen des Beschwerdewegs weiter zu verfolgen.

„Das Verfahren ist für uns mit diesem Urteil nicht abgeschlossen“, so die Anwältin. „Wir werden die Einhaltung von Antidiskriminierungsvorgaben und die Auslegung des Neutralitätsgebots weiter kritisch begleiten.“

Adala e. V.: Einsatz gegen Diskriminierung

Der gemeinnützige Verein adala e. V. hat die Klägerin in diesem Verfahren unterstützt. Er machte über Social Media auf den Fall aufmerksam und sammelte Spenden zur Deckung der Gerichtskosten. 

„Wir freuen uns über das positive Ergebnis des Verfahrens, dennoch werden wir weiterhin unermüdlich juristisch gegen die Diskriminierung muslimischer Frauen auf dem Arbeitsmarkt aufgrund eines sogenannten ‚Neutralitätsgebots‘ vorgehen.“, teilte die Vorsitzende des Vereins, Mahassen Abboud, mit.

Kontakt für Rückfragen:
Adala e. V.
Mahassen Abboud
Bachstraße 50, 22083 Hamburg
E-Mail: kontakt@adala-ev.de

Rechtsanwältin Tugba Sezer
Kanzlei Uyanik
Neumühlen 9, 22763 Hamburg
Tel.: 040-573 089 37
E-Mail: kontakt@kanzlei-uyanik.de

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