Gerichtsurteil: Werkstudentin gewinnt Klage gegen diskriminierende Neutralitätsklausel
Berlin, 12. November 2024 – Eine Werkstudentin und gläubige Muslimin hat vor dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg einen wegweisenden Sieg für Gleichberechtigung errungen. Das Gericht entschied, dass der Arbeitgeber durch die Ablehnung ihrer Bewerbung aufgrund einer sogenannten Neutralitätsklausel gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verstoßen hat.
Der Fall: Bewerbung abgelehnt wegen des Kopftuchs Die Klägerin, S.D., hatte sich im Februar 2023 auf eine Stelle in einer sozialen Einrichtung als Werkstudentin für Recherchetätigkeiten beworben. Ihr wurde zunächst mündlich eine Zusage erteilt. Nachdem sie jedoch auf eine Neutralitätsklausel im Arbeitsvertrag aufmerksam wurde und nachfragte, ob dies auch das Tragen ihres Kopftuchs betreffe, zog sie die Zusage zurück. Sie erklärte, dass sie die Stelle nicht antreten könne und nicht bereit war, ihr Kopftuch abzulegen. Die Klausel, die ein Verbot sichtbarer religiöser Symbole vorsieht, wurde vom Gericht als nicht angemessen und diskriminierend bewertet.
Gerichtsurteil: Neutralitätsklausel diskriminiert „Ich habe mich beworben, um meine berufliche Zukunft aktiv zu gestalten, und wurde stattdessen aufgrund meines Glaubens ausgegrenzt. Dieses Urteil bestätigt, dass solche Diskriminierung in unserer Gesellschaft keinen Platz hat“, so die Klägerin.
Die Anwältin der Klägerin, Rechtsanwältin Tugba Sezer, betonte: „Das Urteil ist ein wichtiges Signal: Pauschale Neutralitätsklauseln, die Grundrechte einschränken, sind weder rechtlich haltbar noch gesellschaftlich akzeptabel. Arbeitgeber haben keine willkürliche Entscheidungsfreiheit, wenn es um das Grundrecht auf Religionsfreiheit geht.“
Das Gericht entschied, dass die Klägerin Anspruch auf eine Entschädigung in Höhe von zwei Monatsgehältern hat. Dabei stellte es klar, dass das Verbot des Tragens religiöser Symbole wie eines islamischen Kopftuchs keine wesentliche berufliche Anforderung für die Tätigkeit der Klägerin darstellt. Auch die Behauptung, das Kopftuch könnte den Betriebsfrieden stören, wurde als nicht ausreichend konkret zurückgewiesen.
Adala e. V.: Einsatz gegen Diskriminierung Der gemeinnützige Verein adala e. V. hat die Klägerin in diesem Verfahren unterstützt und die Finanzierung des Falls übernommen. „Für mehr Recht, gegen Rassismus – das ist unser Motto. Wir freuen uns, dass wir mit diesem Fall einen wichtigen Präzedenzfall schaffen konnten und damit juristisch gegen die Ausgrenzung muslimischer Frauen auf dem Arbeitsmarkt vorgehen. Unser Einsatz geht weiter“, erklärte Mahassen Abboud, Vorsitzende von adala e. V.
Ein Signal für mehr Gleichberechtigung am Arbeitsplatz Dieses Urteil ist ein Meilenstein im Kampf gegen Diskriminierung am Arbeitsplatz. Es unterstreicht, dass Vielfalt und Gleichberechtigung keine Schlagworte bleiben dürfen, sondern aktiv geschützt werden müssen. Arbeitgeber sind verpflichtet, die Rechte ihrer Mitarbeiter:innen zu wahren und diskriminierende Praktiken zu unterlassen.
Das Urteil ist hier zu finden: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, 11 Sa 443/24, Urteil vom 12.11.2024
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